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Nachrichten, Veranstaltungen, Hinweise, Aufrufe | 24.11.2025

Gedenkfeier am Totensonntag

Am Totensonntag, 23. November 2025 fand nach dem Gottesdienst in der Aussegnungshalle auf dem Kirchheimer Friedhof wie in jedem Jahr eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegung statt.

„Wir stehen hier auf dem Friedhof vor unserem Mahnmal gegen den Krieg. Wir lesen Namen und wissen doch nicht, wie sich die Trauer anfühlt, wenn geliebte Angehörige nicht einmal begraben werden können. Wenn Männer, Väter, Söhne nicht wiederkommen von der Front. Wenn Kinder sterben, weil sie beim Spielen auf eine Mine treten.

Mit diesen Worten begann Pfarrer Achim Binder die Gedenkrede, die er im Wechsel mit Bürgermeister Uwe Seibold vortrug.

Doch wie fühlt es sich an, im Krieg zu leben? Was bleibt danach?

„Häuser, in denen eine Tischdecke auf dem Tisch liegt, ein umgekipptes Glas, der Topf vom Abendessen, und daneben fehlt die Wand, getroffen und eingestürzt. Abrupt endet das normale Leben, die Familie heimatlos, seit die ersten Bomben fielen.“

Die Geschichte von Martin Auer: „Als die Soldaten abgezogen waren, war das Dorf leer. Alles Vieh war getötet oder weggenommen worden, alles Korn war aus den Speichern geholt und verbrannt worden. Sogar unsere Hacken und Sicheln waren fort. Großvater zeigte uns, wie wir im Fluss Fische fangen konnten, und welche wilden Kräuter wir kochen konnten, und irgendwie kamen wir durch die Trockenzeit. Als der Regen kam, wuchs etwas Korn auf den Feldern aus Samen, die bei der Ernte zu Boden gefallen waren, und wir buken keinen einzigen Laib Brot, sondern hoben alles Korn für die nächste Aussaat auf. Schritt für Schritt erweckten wir die Felder wieder zum Leben. Mutter starb und dann starb Großvater auch, und mein kleiner Bruder heiratete ein Mädchen aus dem Nachbardorf und sie bekamen ein Kind. Und eines Tages kamen die Soldaten.“

„Und man kann nicht sagen, auf welcher Seite der Front es sich abspielt. Ob die Nation den Krieg begann oder Opfer eines Angriffs war. Für die Menschen spielt es keine Rolle, welche Flagge auf der Uniform der Soldaten prangt, die das Land unbewohnbar machen. Es geht nur darum, das Leben mühsam, über Jahre und Jahrzehnte wieder aufzubauen, das von heute auf morgen zunichtegemacht worden ist. Und als sie, als wir gedacht hatten, die Welt hätte es verstanden, da kamen wieder die Soldaten. Unsere Sehnsucht ist groß, die Welt aufzuteilen. In Angreifer und Angegriffene. In Gut und Böse. In Opfer und Täter. Da sind die Juden und die Palästinenser. Die Ukrainer und die Russen. Die Angegriffenen und die Angreifer. Die Schuldigen und die Unschuldigen.“

„Es ist nicht unsere Aufgabe, Menschen zu spalten nach Religion, Herkunft, sexueller Orientierung. Nicht in dieser Welt und nicht danach. Es kann und es darf nicht sein, dass sich Antisemitismus in unserem Land ausbreitet. Es darf nicht sein, dass Menschen aus Angst verschweigen, wen sie lieben. Es darf nicht sein, dass wir Menschen, die alles verloren haben, nicht helfen, weil wir uns an Quoten orientieren.

Wir erinnern uns daran, dass unser eigenes Land Schuld getragen hat. Dass unsere eigenen Vorfahren darauf angewiesen waren, dass man verzeiht. Dass man sie aufnimmt. Dass man ihnen Essen, Trinken und Frieden bringt. Und wir sehen schmerzvoll, dass es für den Einzelnen egal ist, wo die Schuld ihren Ursprung hat. Nach einem Krieg bleibt nichts als Trauer, Leid, Schutt und Hunger. Bleibt nichts als Angewiesenheit. Und es spielt keine Rolle, auf welcher Seite der Front man lebt.“

Durch die alljährliche Gedenkfeier am Totensonntag wird auch hier in Kirchheim zum Ausdruck gebracht, dass die aktuellen Geschehnisse und Ungerechtigkeiten in der Welt und die Erinnerung an die zurückliegenden Grausamkeiten unserer Geschichte, nicht in Vergessenheit geraten, sondern vielmehr zu einem bedeutenden Teil unserer gesellschaftlichen Kultur geworden ist.

Im Anschluss an die Gedenkrede folgte die gemeinsam gesprochene traditionelle Gedenkformel, zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an die grausamen Geschehnisse der Vergangenheit.

Gemeinsam mit Herrn Schweiher vom VdK legte Bürgermeister Seibold einen Kranz am Mahnmal nieder.

Würdevoll umrahmt wurde die Gedenkfeier musikalisch durch die Young Chorporation und den Musikverein.