Kirchheim weiht Pflege-WG ein
Die Erwartungen sind hoch, die Freude ist groß: Nach dreijähriger Bauzeit hat die Gemeinde Kirchheim mit ihren Projektpartnern, der Sozialstation Bönnigheim, der evangelischen Kirchengemeinde, und dem eigens gegründeten Förderverein die erste selbstverwaltete Pflege-Wohngemeinschaft (WG) im Landkreis Ludwigsburg eingeweiht. Über 60 geladene Gäste feierten am Donnerstag, 25. Juli, im Anna-Riecker-Haus die neue Einrichtung. Mit dabei waren unter anderem Projektpartner, Spender, Förderer sowie künftige WG-Bewohner und ihren Angehörigen.
Zwölf Wohnräume stehen zur Verfügung
Ab Mitte August ziehen die ersten WG-Bewohner ein. Die Gemeinde vermietet zwölf geräumige, je 15 Quadratmeter große Wohnräume, die die Bewohner als Mieter nach eigenem Gusto einrichten können. Ein großer heller Gemeinschaftraum mit Küche sowie ein Hauswirtschaftsraum, eine große Terrasse und kleine Nischen als öffentliche Begegnungsorte sorgen für einen behaglichen WG-Charakter. Insgesamt 480 Quadratmeter barrierefreie Wohnfläche stehen zur Verfügung. Bei einem Sektempfang begrüßte das Pflegeteam der Sozialstation Bönnigheim mit der geschäftsführenden Pflegedienstleiterin Monika Weber und WG-Koordinationskraft Melanie Kruse an der Spitze die Einweihungsgäste. Musikalisch hießen das Duo Romy und Götz Schwarzkopf die Besucher mit „These are the days“ von Jamie Cullum willkommen.
Bürgermeister: „Juwel ist entstanden“
„Im Schatten unserer großen Baumaßnahmen Schule und Gemeindehalle ist zeitgleich ein kleines Juwel entstanden“, eröffnete Bürgermeister Uwe Seibold seine Begrüßung. Das Anna-Riecker-Haus sei aus zwei Gründen ein solches Juwel: „Mit der Pflege-WG und zwei Arztpraxen ist das Haus ein wichtiger Baustein der Kirchheimer Daseinsvorsorge, der mit Investitionen von rund 3,5 Millionen Euro verbunden war“, so Seibold. Zum anderen sei eine selbstverantwortete Wohngruppe nach wie vor eine seltene Ausnahme für selbstbestimmtes Wohnen im Falle der Pflegebedürftigkeit. „Sie ist ein wichtiger Schritt, um hilfebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen in einem familiären Umfeld zu unterstützen und zu fördern“, sagte der Bürgermeister, der Mitglied im ehrenamtlichen Vorstand der Sozialstation Bönnigheim ist. Die WG sei nicht nur ein Ort der Betreuung und Pflege, sie sei auch ein Ort des Miteinanders und Zusammenhalts, um den Bewohnern Würde und Respekt zu verleihen sowie ihnen Freude zu bereiten.
Engagierte Projektpartner
Der Bürgermeister würdigte insbesondere die Leistungen der anderen Projektpartner sowie von Investor Thomas Hermann und Frank Hofmeister. Der Möbelhauschef hat anlässlich des Jubiläums seiner Firma die moderne WG-Küche gespendet. „Ich bin froh, dass hier Menschen mit besonderem Bedarf eine Heimat finden“, sagte Pfarrer Achim Binder. Die Kirchengemeinde beteilige sich ideell und finanziell, um ein Zeichen der Nächstenliebe zu setzen. Als Geschenk hatte der Pfarrer einen Haussegen mitgebracht. Mit einem Gebet bat er für die Bewohner und Pflegenden um Gottes Segen. „Ich freue mich auf die Begegnungen mit Bewohnern, Personal und Gästen“, betonte der Pfarrer die künftige seelsorgerische Beteiligung der Kirchengemeinde am WG-Leben.“ Ich habe mich auf diesen Abend sehr gefreut“, erklärte MdL Tobias Vogt, Vorsitzender des Fördervereins. Seine Reise habe vor fünf Jahren begonnen, als Uwe Seibold gefragt habe, ob er den Vorsitz des Fördervereins der Pflege-WG übernehmen könne. Das Projekt zeige, wie wichtig es sei, die Pflege aus der Sicht der Betroffenen zu betrachten, meinte Vogt.
Einrichtung bietet viele Chancen
„Ich kann Sie nur beglückwünschen, dass Sie diesen Weg gegangen sind“, gratulierte Michael Szymczak. Der Pflegemanager, er hat das WG-Projekt von Anfang an beratend begleitet, betonte in seinem Grußwort: „Eine selbstverwaltete Pflege-WG kann eine Möglichkeit sein, der riesigen Herausforderung durch den demografischen Wandel und den Pflegekräftemangel wirkungsvoll zu begegnen“. Das Spannende sei, es gebe keinen Kostenträger, es sei eine vollständig selbstverantwortete Pflege. Die Wohngemeinschaft ermögliche den Bewohnern einen würdigen, selbstbestimmten Lebensabend. Die Bewohner und ihre Angehörigen könnten durch den WG-Beirat gemeinsam über die wirtschaftlichen Angelegenheiten wie Haushaltskasse und den Einkauf für das tägliche Leben entscheiden. Als WG-Koordinatorin stehe Melanie Kruse, Mitarbeiterin der Sozialstation, den Projektbeteiligten als „Schnittstelle“ zur Seite. Die Grüße des Ludwigsburger Landrats Dietmar Allgaier überbrachte Heike Dierbach, im Landratsamt Leiterin des Fachbereichs Soziales, Pflege und Versorgungsangelegenheiten. „Ja es ist ein Juwel entstanden und ein guter Impuls, neben ambulanten und stationären Pflegeangeboten ein besonderes Segment zu haben“, sagte Heike Dierbach.
Vorfreude auf WG
„Ich freue mich auf die WG“, sagte Hannah Müller (91), die ab Mitte August eine der ersten WG-Bewohnerinnen in Kirchheim sein wird. „Sie hat bisher in ihrer Wohnung alleine gelebt und war zwei Mal in der Woche in der Tagespflege“, berichtete ihr Schwiegersohn Karl Amberger. Die ganze Verwandtschaft unterstütze den Einzug in die WG. Investor und Bauunternehmer Thomas Hermann erklärte, dass er das Anna-Riecker-Haus mit einem umbauten Raum von 8300 Kubikmetern eigenhändig zusammen mit fünf Mitarbeitern gebaut hat. In den Obergeschossen seien zwei Arztpraxen und neun Wohnungen sowie im Untergeschoss eine Tiefgarage mit zwölf Stellplätzen beheimatet.
Partner teilen sich die Kosten
Die Gesamtkosten für den Bau der Pflege-WG belaufen sich auf 1,85 Millionen Euro, davon entfallen 1,65 Millionen Euro auf die Baukosten. 50 Prozent trägt die Gemeinde, die evangelische Kirchengemeinde und die Sozialstation Bönnigheim übernehmen zusammen die andere Hälfte. 150.000 Euro hätten Land und Landkreis zum Entstehen der Pflege-WG beigetragen. Aus der Anna-Riecker-Stiftung für Krankenpflege, Seniorenbetreuung und Menschen in Not und der Ernst Ackermann Stiftung sind 750.000 Euro in die Projektfinanzierung geflossen.